„Anarchophobie – Die Angst vor Spinnern“ heißt sein Programm, mit dem Philip Simon gleich zwei Abende vor ausverkauftem Saal im Burghaus Bielstein auftrat. Und eins weiß er genau: Spinner verändern die Welt. Deshalb müsse man auch keine Angst vor Ihnen haben.
Etwas beängstigend ist es schon, wenn Philip Simon mit der Pistole herumfuchtelt. Die sei „die Gesprächsgrundlage der Sprachlosen“. Dazu posaunt erst mal ein paar rechte Parolen – „Wir sind das Volk“ – raus. Und dann räsoniert er über Gott und die Welt, über Politik und Gesellschaft. Das Lachen bleibt dem Publikum oft im Halse stecken, denn er hat ja so Recht mit dem was er sagt. Das Leid eines Schalke-Fans über verlorene Spiele scheint größer zu sein, als das Leid, dass Flüchtlinge während ihrer Flucht ertrinken. Wen wundert so ein Verhalten, wenn das soziale Miteinander aus dem Posten von Selfies besteht. Und um nicht an das Leid zu denken – egal welches – helfe Summen, weiß Simon. Das nutze er auch, wenn er sich in Rage geredet hat: „Man könnte schreien – und dann in Summen übergehen. Summen entspannt – oder Masturbieren“, erklärt er und lädt das Publikum zum Ausprobieren ein. In Anbetracht der Alternative summte der Saal beherzt sein Laternenlied mit.
Philip Simon zeigt Dinge auf, die irgendwie falsch laufen. So das Thema Bio-Lebensmittel – früher war man ein Spinner, heute ist Bio in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und wie sieht dieses Bio aus? Die Waren werden per Lkw, mit Flugzeugen geliefert: „Du kaufst Bio – und als Nebenprodukt Umweltverschmutzung.“ Auch darüber kann er richtig laut werden. Und dann wieder flüstert er fast. Das Publikum hängt an seinen Lippen und ist sehr gefordert von seinem Redefluss quer durch Glaubensmodelle, Politikergehabe – „wenn Donald Trump zum Handy greift haben 140 Zeichen Angst“ oder „Schäubles schwarze Null“ – und der Umgang mit Flüchtlingen. „Aber wir können ja nicht jeden durchfüttern, nur weil wir so viel im Supermarkt rumstehen haben“. Allerdings würden wir Millionen in Bankenrettungen stecken und wäre es nicht sinnvoller das Geld für Bildung und Aufklärung und für Flüchtlinge – „dann würden wir sehen – sie sind eine Bereicherung“ – einzusetzen. Menschen, die anders denken, Spinner, brauchen wir in unserer Welt. Und zwar die, die positiv nach vorne spinnen. Einer davon ist der tschechische Zauberkünstler, Erfinders und Autor Lubor Fiedler. Der habe sein Leben lang nach Lösungen gesucht, wo andere gar kein Problem gesehen haben, erzählt Simon. Er hat auch die quadratische kleine Kiste erfunden, die Philip Simon im zweiten Teil unablässig befingert und dreht. Und was es mit der auf sich hat, zeigt der 40-Jährige niederländisch-deutscher Moderator, Kabarettist und Autor ganz am Schluss. Wie im Flug vergeht ein prall gefüllter Abend mit Philip Simon – amüsierend und anregend.
Vera Marzinski